Beratung und Schulungen in der Landwirtschaft

Beratung und Schulungen in der Landwirtschaft

Barbara.jpg12. November 2021

Im Interview erzählt Barbara Rademaker von ihrem Beruf als Global Agriculture Specialist bei Oikocredit.

Barbara Rademaker ist seit Januar 2021 Global Agriculture Specialist bei Oikocredit. In diesem Interview haben wir sie zu ihrer beruflichen Laufbahn, ihren Aufgaben bei Oikocredit und ihren Plänen befragt.

Können Sie uns ein wenig über Ihre berufliche Laufbahn erzählen?

Bevor ich zu Oikocredit kam, habe ich 15 Jahre in Lateinamerika gelebt und in unterschiedlichen Positionen im Bereich Impact Investing gearbeitet. Ich war Investmentmanagerin, technische Beraterin, volkswirtschaftliche Beraterin und Vorstandsmitglied mehrerer Mikrofinanzinstitutionen. Dadurch habe ich sowohl direkt als auch indirekt mit VertreterInnen indigener Völker, KleinbäuerInnen, Kooperativen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zusammengearbeitet.

Ich würde mich als Expertin für Weiterbildung und für die Konzeption und Umsetzung von Programmen zu technischer Unterstützung sowie Beratungs- und Schulungsprogrammen bezeichnen. Das passt perfekt zu meiner jetzigen Aufgabe bei Oikocredit.

Was hat Sie dazu bewogen, für Oikocredit zu arbeiten?

Zum einen die Tatsache, dass Oikocredit eine Genossenschaft ist. AnlegerInnen einer Genossenschaft sind anders als andere Social Impact-AnlegerInnen. Sie sind engagierter und sie hinterfragen, was man tut und wie man es tut. Wenn Sie immer nur das Gleiche tun, ob draußen oder hinter dem Schreibtisch, sind Sie irgendwann in ihrem Tagesgeschäft gefangen. Ich finde es inspirierend, mit sozial und ökologisch engagierten AnlegerInnen zusammenzuarbeiten, die langfristig denken. Und ich finde es gut, dass sie unsere Arbeit nicht nur unterstützen, sondern auch kritisch hinterfragen. Das ist wichtig, weil wir so immer wieder daran erinnert werden, wofür Oikocredit steht: verantwortliches Investieren, um wirtschaftlich benachteiligten Menschen zu helfen, ihren Lebensstandard zu verbessern.

Außerdem kann ich bei Oikocredit das tun, woran mir am meisten liegt: Beratung und Schulungen. Für Oikocredit ist es sehr wichtig, langfristig etwas zu bewirken, nicht nur kurzfristig zu unterstützen. Wir wollen unser Wissen weitergeben, sodass unsere Partnerorganisationen besser werden. Langfristige Unterstützung zu bieten ist risikoreicher, aber genau das ist es, was unsere Partner brauchen. Und das unterscheidet Oikocredit von anderen Impact Investoren. Ich liebe meine Aufgabe und bin dankbar für die Chance, sie zu erfüllen.

Was genau tun Sie als Agriculture Specialist von Oikocredit?

Ich habe zwei Schwerpunkte: Erstens entwickle ich Beratungs- und Schulungsprogramme sowie Projekte für kleinbäuerliche Genossenschaften, in der Landwirtschaft tätige KMU und Finanzinstitute, die kleineren LandwirtInnen besseren Zugang zu Finanzdienstleistungen bieten wollen. Dazu müssen wir die gemeinsamen Bedürfnisse der Organisationen herausfinden, um darauf aufbauend die entsprechenden Programme zu entwickeln. Zugleich müssen wir aber auch die speziellen Bedürfnisse der Organisationen berücksichtigen. Ein Beispiel ist unser Price Risk Management Programme. Es umfasst gemeinsame Weiterbildungskurse, gegenseitige Besuche der LandwirtInnen sowie Einzel-Coachings. Die Kombination aus gemeinsamem Lernen und Unterstützung für individuelle Problemstellungen hilft unseren Partnerorganisationen, das Gelernte umzusetzen. Ein solches Beratungs- und Schulungsprogramm kann auch für einzelne Partner aufgesetzt werden, wenn Reichweite und Wirkung für den Agrarsektor groß genug sind. Beispielsweise unterstützen wir in Kambodscha eine Mikrofinanzinstitution dabei, ihr Angebot auf landwirtschaftliche Genossenschaften auszuweiten. Dazu helfen wir, die Kreditvergabeprozesse zu verbessern und auch nicht finanzbezogene Dienstleistungen für diesen Sektor zu entwickeln.

Meine zweite Aufgabe ist es, zusammen mit meinen KollegInnen aus der Abteilung Social Performance and Innovation unsere Stakeholder zu informieren und unser Wissen an sie weiterzugeben. Im nächsten Jahr wollen wir eine „Oikocredit Academy“ aufbauen, wo unsere Partnerorganisationen auf Programme und Informationsmaterialien zugreifen können, die wir im Rahmen unserer Beratungs- und Schulungsprogramme entwickelt haben.

Warum ist es wichtig, die Landwirtschaft zu unterstützen?

Die allermeisten wirtschaftlich benachteiligen Menschen leben auf dem Land, nicht in Städten, und erzielen ihren Lebensunterhalt mit kleinen landwirtschaftlichen Betrieben. Nach Informationen des International Fund for Agricultural Development (IFAD) leben etwa 3,4 Milliarden Menschen (vier Fünftel der ärmsten Menschen inkludiert) in ländlichen Regionen der Schwellenländer. Hunderte Millionen von KleinbäuerInnen helfen, die Bevölkerung des Landes zu ernähren, aber haben keinen Zugriff auf Kredite und Märkte und sind beispielsweise unfairem Wettbewerb, schwankenden Preise und dem Klimawandel ausgesetzt.

Regierungen vernachlässigen die ländlichen Regionen häufig. Indem wir in kleine landwirtschaftliche Betriebe und die Weiterbildung der Menschen dort investieren, können wir die Lebensstandards wirklich verbessern. Wir können Jobs schaffen, die lokale Wirtschaft beflügeln und dem Wegzug in die Städte entgegenwirken. Der IFAD berichtet, dass Investitionen in die Landwirtschaft in Subsahara-Afrika bis zu 11-mal effizienter die Armut bekämpfen als Anlagen in anderen Sektoren.

Können Sie uns einige der größten Herausforderungen in der Landwirtschaft nennen und beschreiben, wie Beratung und Schulungen helfen können?

Eine zentrale Herausforderung ist, Möglichkeiten zu finden, die Risiken des landwirtschaftlichen Portfolios zu senken, vor allem angesichts der zahlreichen Folgen des Klimawandels für diesen Sektor. Beratung und Schulungsprogramme sind eine Möglichkeit, den Sektor nachhaltiger zu machen und zugleich die Risiken unserer Investments zu senken. Beispielsweise unterstützen wir einen Partner in Westafrika, der zurzeit eine wetterindexgebundene Versicherung entwickelt und auf dem Markt einführt. Wettergebundene Versicherungen sind ein innovativer und erfahrungsgemäß kosteneffizienter Ansatz in Schwellenländern. Der Schadensausgleich ist an lokale Wettermessungen gebunden, zum Beispiel an die Regenmenge, und nicht wie sonst üblich an die Erntemengen der BäuerInnen. Auch unser bewährtes Price Risk Management Programme zur Steuerung von Preisschwankungen hilft KaffeebäuerInnen und senkt zugleich die Risiken unseres Portfolios. Allgemeiner gesagt, wollen wir landwirtschaftlichen Partnerorganisationen helfen, schnell und flexibel auf externe Ereignisse zu reagieren.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Landwirtschaft aus?

Der Klimawandel hat enorme Auswirkungen. Durch ihn haben sich nicht nur die Erntezyklen verändert. Es gibt auch Dürren, Überschwemmungen und andere Extremwetterereignisse wie Stürme, die kleine Betriebe massiv belasten. Das gilt vor allem für Rohstoffe wie Kaffee und Kakao. Immer häufigere Dürren können dazu führen, dass vor Ort kein Strom aus Wasserkraft für den Betrieb kleiner Maschinen zur Verarbeitung der Ernten zur Verfügung steht.

Andererseits sorgt die technische Entwicklung auch für Chancen in der Landwirtschaft. Die Herausforderung ist, neue Technologien an die Realität von KleinbäuerInnen anzupassen. Beispielsweise kann man jetzt über Satellit den Zustand der Fruchtstände und Böden untersuchen. Aus diesen Informationen praktischen Nutzen zu ziehen und Maßnahmen für KleinbäuerInnen zu entwickeln, ist häufig nicht leicht, aber es ist möglich.

Welche Auswirkungen hat Covid-19 auf die Landwirtschaft? Was tun wir dagegen?

Die Margen in der Landwirtschaft sind gesunken, weil die Produktionskosten gestiegen sind. Notwendige Hilfsmittel wie Säcke oder Transportmöglichkeiten sind knapp. Wegen der Coronabeschränkungen konnten LandwirtInnen zeitweise keine ErntehelferInnen bekommen, und durch die Hygienemaßnahmen sind bei einigen Partnern die Kosten gestiegen. Durch den weltweiten Mangel an Containern sind Logistikprobleme entstanden, und weil die Kaffeehäuser in den rohstoffimportierenden Ländern zeitweise geschlossen waren, ist die Nachfrage zurückgegangen.

Glücklicherweise waren die Folgen für die Landwirtschaft nicht so verheerend wie befürchtet. Auch im Lockdown müssen die Menschen essen und trinken, und während der Pandemie haben die meisten Regierungen die Landwirtschaft stark unterstützt. In den Städten, wo viele Mikrofinanzpartner von Oikocredit ihren Sitz haben, waren die Folgen gravierender. 

Darauf haben wir auf unterschiedliche Weise reagiert: 2020 hat Oikocredit einen Coronavirus Solidarity Fund eingerichtet, mit dem unsere Partnerorganisationen ihre KundInnen und Mitglieder zusätzlich unterstützen können. Aufbauend auf den Solidaritätsfonds haben wir kürzlich ein Programm ins Leben gerufen, das wir „Innovation in Response to Covid-19“ nennen und mit dem wir Partner unterstützen, die innovative Lösungen für KundInnen und Mitglieder entwickeln, die besonders von der Pandemie betroffen sind. Mit dieser neuen Initiative wollen wir unseren Partnerorganisationen zudem helfen, sich auf die Zeit nach der Pandemie vorzubereiten. Außerdem haben wir Partnern, die in Schwierigkeiten geraten sind, Zahlungsaufschub gewährt und bieten ihnen zusätzliche Online-Ressourcen und -Unterstützung.

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