Mikrofinanzierung und Technologien: Erfolgsgeschichten aus Indien

Mikrofinanzierung und Technologien: Erfolgsgeschichten aus Indien

SVA-IN-104 1080x1080.png29. Februar 2024

Klaus Bergsmann hat Anfang Dezember an der Oikocredit-Studienreise nach Indien teilgenommen. Jetzt berichtet er darüber, wie die von Oikocredit finanzierten Partnerorganisationen die Lebensumstände der Menschen vor Ort verbessern.

Oikocredit hat das Ziel die Lebenssituation der Menschen im Globalen Süden so zu verändern, dass diese sozial wie auch ökonomisch ein besseres Leben haben. Dies erreicht die Sozialinvestorin durch die Finanzierung von Partnerorganisationen in den Schwerpunktbereichen inklusives Finanzwesen, Landwirtschaft und erneuerbare Energien. Oikocredit finanziert im Globalen Süden Endkund*innen nicht direkt, sondern lokale Unternehmen, damit diese entweder entsprechende Produkte entwickeln oder selbst Finanzdienstleistungen (u.a. Mikrokredite) für Kund*innen bereitstellen können.

Um sich von der Wirkung der Finanzierungen vor Ort ein Bild machen zu können, organisiert Oikocredit International immer wieder Studienreisen für (ehrenamtliche) Mitarbeiter*innen lokaler Förderkreise in die Länder des Globalen Südens. Im Dezember 2023 fuhr eine Gruppe von 15 Personen nach Indien in die Regionen Hyderabad, Pune und Bangalore. Die Teilnehmer*innen kamen dabei aus Spanien, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Aus Österreich waren die beiden Ehrenamtlichen Thomas Eisele und Klaus Bergsmann mit dabei. Lokal wurde die Gruppe von der indischen Oikocredit-Tochter Maanaveeya Development and Finance Private Ldt betreut.

Innovative Solarlösungen für Indiens Landwirtschaft

In Hyderabad besuchten die Teilnehmenden den Oikocredit-Partner Ecozen Solutions Pvt. Ldt. Dieses Unternehmen wurde als Start-up von der Oikocredit-Tochtergesellschaft Maanaveeya finanziert, als noch keine andere Bank einen Kredit vergeben wollte. Der Grund, warum Oikocredit Ecozen finanzierte, war deren Idee, mit solar betriebenen Wasserpumpen („Ecotron“) und mobilen Mini-Kühlhäusern („Ecofrost“) das Leben und das Einkommen von Bäuerinnen und Bauern nachhaltig zu verbessern. Inzwischen wurden bereits mehr als 100.000 der mit Solarstrom angetrieben Bewässerungspumpen produziert und verkauft. Die Landwirt*innen können durch den Einsatz dieser Bewässerungsanlagen unabhängiger von den Witterungsverhältnissen produzieren und damit höhere Ernteerträge erzielen. In den Kühlhäusern kann die Ernte anschließend gelagert und über einen längeren Zeitraum zu besseren Preisen verkauft werden. Da die Anlagen unabhängig von Stromleitungen und der Versorgung mit oft überteuerten fossilen Brennstoffen sind, werden die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern nachhaltig verbessert und zusätzlich ein positiver Beitrag fürs Klima geleistet.

Die junge Landwirtin Kajal Pophale erläutert die Vorteile der Solarpumpe „Ecotron“.

Nachhaltige Mikrofinanzierung und digitale Zahlungssysteme in Indien

Ein weiteres von Oikocredit finanziertes Unternehmen ist Svasti Microfinance Private Ltd.Das Mikrofinanzinstitut hat die Vision das Leben von Frauen nachhaltig ökonomisch zu verbessern. 2008 gegründet, betreut es heute rund 410.000 Kundinnen in über 140 Filialen in ganz Indien. Beim Standardprodukt erhalten vier bis fünf Frauen gemeinsam Mikrokredite mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren. Die Frauen bürgen gegenseitig für die Zahlung der wöchentlichen oder monatlichen Raten und erhalten zusätzlich eine umfassende Beratung zur Führung ihrer Unternehmen. Ein berührendes Beispiel war das Geschäft einer Frau, die Saris näht - die traditionelle indische Frauenbekleidung. Innerhalb weniger Jahren hat sie mit Hilfe von Svasti ihr Geschäft um drei Nähmaschinen erweitern und drei Frauen anstellen können. Heute können sie und ihre Familie mit dem Einkommen aus ihrem Unternehmen ein zufriedenes Leben führen.

Loantap Credit Products Private Ltd., ein weiteres Oikocredit-Partnerunternehmen, hat die Vision, das Leben von kleinen Händlern besser, schneller und flexibler zu machen. Das Problem vieler kleiner Geschäfte besteht darin, neue Waren für Kund*innen zu finanzieren. Normale Banken leihen diesen Kleinkund*innen kein Geld. Bei Loantap erfolgt die Abwicklung mit einer selbst entwickelten und sehr effizienten IT-Lösung. Kreditprüfung und Risikomanagement basieren auf Umsatzdaten, die Loantap von seinen Kund*innen erhält und nicht auf der Basis von Jahresabschlüssen.

Bei einem dieser Händler haben wir auch das neue und inzwischen in Indien weit verbreitete elektronische Zahlungsverkehrssystem „Paytm“ kennen gelernt. Zahlungen werden innerhalb von Sekunden mit Hilfe von Mobiltelefonen abgewickelt. Dabei geht es nicht um große Beträge, sondern um die bargeldlose Zahlung von Einkäufen des täglichen Bedarfs. Jede*r Landwirt*in hat diesen QR-Code auf ihrem/seinem Marktstand. Die Kundschaft scannt den QR-Code, tippt den zu zahlenden Betrag ein und gibt die Zahlung frei – ohne Extrakosten. Der/die Händler*in erhält unmittelbar eine Bestätigung über die Durchführung der Zahlung. Die Voraussetzung für dieses System ist der Besitz eines Bankkontos und ein Mobiltelefon mit funktionierendem Funknetz. Über beides verfügt inzwischen ein Großteil der indischen Bevölkerung in Verbindung mit einem guten Ausbau der Mobilfunknetze. Einen ausführlichen Beitrag zu dieser digitalen Revolution, lesen Sie hier!

Klaus Bergsmann und andere Teilnehmer*innen der Studienreise lassen sich von einem Kunden von Loantap Credit erklären, wie das elektronische Zahlungsverkehrssystem funktioniert.

Soziale Verantwortung in Indien

In Indien gibt es noch eine weitere Form, wie Oikocredit/Maanaveeya einen Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft leistet. Jedes indische Unternehmen muss zwei Prozent von seinem versteuerten Gewinn an soziale Projekte spenden. Zwei solcher Projekte, die von Maanaveeya unterstützt werden, konnten die Teilnehmenden auf der Studienreise ebenfalls besuchen.

Akshaya Patra Foundation ist Partner eines einzigartigen Sozialprogramms der indischen Regierung: „Jedes Schulkind muss zumindest einmal pro Tag eine warme Mahlzeit erhalten“. Gegründet im Jahr 2000 ist Akshaya Patra heute das weltweit größte (nicht gewinnorientierte) Programm für Schul-Mittagsmahlzeiten. Pro Schultag werden mehr als zwei Millionen Kinder in über 19.000 Schulen in 14 indischen Bundesstaaten mit warmem und gesundem Essen versorgt – und das gratis!

Maanaveeya spendete der Akshaya Patra Foundation ein Photovoltaik-System auf dem Dach ihres Gebäudes in Kandi/Telangana, täglich werden dort 100.000 Mahlzeiten zubereitet. Damit reduzieren sich die laufenden Kosten für diese Großküche.

Die Mission von LV Prasad Eye Institute (LVPEI) ist, dass niemand aufgrund einer Sehbehinderung von der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sein sollte. Die Augenklinik wurde 1987 gegründet und zählt heute weltweit zu den besten ihrer Art. Mit dem Hauptsitz in Hyderabad und 275 lokalen Zentren bietet die Klinik medizinische Behandlungen für alle Arten von Augenproblemen, einschließlich komplexer Augenoperationen. Im Zeitraum 2022-2023 wurden mehr als zwei Millionen Patient*innen behandelt, davon die Hälfte kostenlos. Das ist nur durch großzügige Sponsoren wie Maanaveeya möglich, die LVPEI zwei Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von insgesamt 130kWp gespendet haben. Mit den eingesparten Stromkosten im Laufe der 25-jährigen Lebensdauer können damit rund 17.000 Kataraktoperationen („Grauer Star“) für einkommensschwache Patient*innen finanziert werden. Für die Patient*innen sind diese Eingriffe kostenlos.

Wenn Sie noch mehr Einblicke zu Indien bekommen möchten, können Sie hier einen weiteren Beitrag von Thomas Eisele zur Studienreise lesen.

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