Aufwachen, der Kaffee ist fertig!

Aufwachen, der Kaffee ist fertig!

IMG_8446.jpg05. Februar 2021

Für kleinere KaffeeproduzentInnen in Lateinamerika sind Preisschwankungen neben dem Klimawandel eines der größten Risiken.

„Wake up and smell the coffee“, sagt man im englischen Sprachraum, wenn es darum geht, der Realität ins Auge zu sehen. Der Realität müssen sich zunehmend auch KaffeeproduzentInnen stellen. Denn heute reicht es nicht mehr aus, Kaffee einfach anzubauen und zu verkaufen. Gerade kleinere ProduzentInnen müssen täglich den Kaffeepreis abrufen und entscheiden, wie sie sich vor Preisrisiken schützen. Hier leistet Oikocredit Hilfe zur Selbsthilfe. Dabei geht es um mehr als um höhere Einkommen im Kaffeeanbau.

Zusammen mit Fair Trade USA und dem US-Hilfswerk Catholic Relief Services hat Oikocredit ein dreijähriges Projekt zur Unterstützung von Kaffee-Kleinbauernkooperativen abgeschlossen. Ziel ist ein besseres Preisrisikomanagement (PRM) – durch konkrete Maßnahmen und Finanzstrategien, um die Absatzpreise kleinerer KaffeeproduzentInnen in Lateinamerika zu stabilisieren.

Praktisches und finanzielles Preisrisikomanagement

Wir haben darüber mit Yolirruth Nuñez gesprochen, Social Performance and Capacity Building Officer bei Oikocredit in Peru. Von ihr wollten wir mehr über das Projekt und über Preisrisikomanagement generell erfahren. Nuñez war als Beraterin an dem Projekt beteiligt und hat uns erklärt, was PRM ist.

Entwicklung des Preises von Arabica-Kaffee

Für viele KaffeeproduzentInnen, KäuferInnen, Finanzinstitute und andere Beteiligte an der Wertschöpfungskette sei das Preisrisiko ein Problem, sagt sie. Ihr zufolge versteht man darunter die Möglichkeit geringerer Erlöse aufgrund niedrigerer Preise zum Verkaufszeitpunkt. „Uns ist bewusst, dass es bei den meisten landwirtschaftlichen Rohstoffen zu unvorhergesehenen Preisschwankungen kommen kann.“

Nuñez erklärte auch, wie sich das Preisrisiko von Produktion und Vertrieb praktisch steuern lässt – durch entsprechende Vereinbarungen mit den Abnehmern, Festpreis- und Abnahmeverträge sowie Einkaufsrichtlinien. Nach wie vor gebe es aber zahlreiche Risiken. Denen müsse man möglicherweise mit Finanzstrategien begegnen, etwa dem Kauf von Derivaten zur Absicherung fallender Kaffeepreise. Zum Projekt zählte auch die Schulung von Kaffeekooperativen in der Umsetzung praktischer und finanzieller Maßnahmen zum Preisrisikomanagement.

Zusammenarbeit mit 22 Kooperativen, die 32.200 kleine KaffeeproduzentInnen vertreten

Das Projekt setzte bei den Kaffeekooperativen an und hatte vier Ziele:

  • Verbesserung der Prozess-, Finanz- und Verwaltungskompetenz zur Minderung des Preisrisikos
  • Entwicklung eines Tools zur Analyse von Informationen und zur Umsetzung von PRM-Strategien, das den MitarbeiterInnen Wissen vermittelt und Vertrauen gibt
  • Förderung der gegenseitigen Information über optimales Preisrisikomanagement
  • Anleitung der MitarbeiterInnen bei der Umsetzung praktischer und finanzieller Strategien zur Minderung des Preisrisikos

Es wurden 22 Kooperativen ausgewählt, die zum Teil bereits mit Oikocredit zusammenarbeiteten. Ihre MitarbeiterInnen wurden in der Umsetzung finanzieller Strategien ausgebildet. Der Abschlussbericht wird noch dieses Jahr auf der Website von IDB Lab bidlab.org veröffentlicht.

Finanziell unterstützt wurde das Projekt durch IDB LAB, das Innovationslabor der Inter-American Development Bank (über die SAFE Platform), und Keurig Dr Pepper, mit Oikocredit, Catholic Relief Services und Fair Trade USA als Co-Investoren.

Bessere Organisation der KaffeeproduzentInnen

Der Prüfbericht zeigt, dass sich die Kompetenz der teilnehmenden Kaffeekooperativen (Partner und potenzielle Partner von Oikocredit) erheblich verbessert hat. Auch die Ausbildung von Mitarbeitenden und Führungskräften war erfolgreich. Grundsätzlich gaben die Beteiligten an, jetzt besser für die Zukunft gerüstet zu sein. Viele der teilnehmenden Kooperativen haben in wichtigen Bereichen wie Governance, Management und Informationssysteme neue Prozesse verinnerlicht.

Stetiger Rückgang der Weltmarktpreise für Kaffee

Während der Projektlaufzeit sind die Kaffeepreise stetig gefallen. Der Marktpreis war also niedriger als der im Rahmen von Fairtrade-Verträgen vereinbarte Mindestpreis. Die Prüfer berichteten, dass die „Abnahmevereinbarungen von 91% der teilnehmenden Kooperativen zu über 40% Fairtrade-Klauseln“ enthielten. Deshalb hätten ihre „Verkaufspreise nicht stark geschwankt“ und man habe auch „keine hohen Risiken“ gesehen. Dennoch berichtet Nuñez: „Selbst wenn Abnehmer ein Fairtrade-Siegel haben, erwerben sie nicht unbedingt den gesamten Kaffee als Fairtrade.“ Die KaffeeproduzentInnen müssten daher einen Teil ihrer Ernte über konventionelle Verträge verkaufen, bei denen durchaus Preisrisiken bestünden.

Es gab in diesem Fall also nur wenige Anreize für finanzielle Absicherungsstrategien, weil die konkreten Maßnahmen bei vielen Kooperativen ausreichten. In dem Bericht heißt es: „Die Kooperativen wurden auf den Umgang mit kritischen Finanzsituationen vorbereitet, aber alles blieb ruhig.“ Dieser Teil des Projekts muss also erst noch getestet werden.

Was Besuche bei Wettbewerbern bringen

Ein auf den ersten Blick weniger wichtiger Aspekt des Projekts waren die gegenseitigen Besuche der Kooperativen, die aber am Ende sehr viel bewirkt haben. Der Abschlussbericht betont: „Allein die Möglichkeit, sich mit den LeiterInnen so vieler anderer Kooperativen zu treffen, die anderswo herkommen, anders denken und die Dinge anders angehen, hat zu einem regen Austausch von Wissen und Ideen geführt.“ Man habe viel voneinander gelernt.

Eine der Teilnehmenden sagte: „Durch die gegenseitigen Besuche hat sich unser Umgang mit Risiken und dem Einsatz neuer Hilfsmittel verändert. Das wird uns bei unseren Entscheidungen helfen.“

Nuñez sprach auch über weitere Pläne: „Oikocredit und seine Partner wollen das Programm auf Afrika und Mittelamerika ausweiten.“ Wir werden darüber berichten.

Werden Sie wohl morgen früh bei Ihrem ersten Kaffee darüber nachdenken, wie komplex Preisrisikomanagement ist? Wahrscheinlich nicht, aber vielleicht konnten wir Ihnen das Thema ein wenig näherbringen. Also lehnen Sie sich zurück, genießen Sie Ihren Kaffee und danken Sie in Gedanken den KaffeeproduzentInnen, die sich damit beschäftigen müssen.

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